Streets of Cairo

Es gibt viele Themen, über die ich heute schreiben könnte. Ich könnte von meinen ersten Arabisch-Stunden berichten, von meinem Umzug - raus aus dem lauten und quirligen Downtown Cairo in die Wohnung einer Londoner Journalistin im schönen und zentral auf einer Insel im Nil gelegenen Stadtteil Zamalek - oder meinem nächtlichen Ausflug auf einen Berg oberhalb Kairos, der einen faszinierenden Blick auf die nächtlich hell erleuchtete Stadt bot.

Wenn Ihr auf das Foto klickt, seht Ihr noch ein paar neue Fotos, die ich heute hochgeladen habe!
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Aber heute möchte ich Euch lieber von einem anderen Abenteuer berichten. Und das hat gar nichts mit jenen Gefahren zu tun, die einige von Euch hier vielleicht erwarten würden. Denn die Kriminalitätsrate in dieser Stadt ist extrem gering. Vor Überfällen oder Ähnlichem braucht man hier keine Angst zu haben. Nein, die Gefahr lautert eher im Alltag, dort, wo man ihr leider nicht aus dem Weg gehen kann: auf den Straßen Kairos.

Es gibt Ampeln. Es gibt auch Zebrastreifen. Welchen Zweck diese beiden verkehrsregelnden Instrumente hier erfüllen, bleibt jedoch im Dunklen. Denn niemand hält sich daran, weder die Fußgänger (das ist ja eigentlich außerhalb Deutschlands nirgends der Fall) noch die Autofahrer. Stattdessen steht an praktisch jeder Ampel ein Polizist, manchmal auch zwei, deren Funktion aber auch nur im Einzelfall ersichtlich wird. An großen Plätzen regeln sie anscheinend, aus welcher Straße die Autos nun auf den Platz fahren dürfen. Es ist jedoch nicht so, dass dies verkehrstechnisch einen Sinn machen würde. Denn häufig haben ausgerechnet jene Straßen gemeinsam Vorfahrt, die sich auf dem Platz sofort in die Quere kommen. Das ist auch darauf zurückzuführen, dass der Kreisverkehr in beide Richtungen fließt, oder vielmehr, sich schiebt. Zu bestimmten Zeiten geht nämlich nichts auf den Straßen Kairos. Und das kann auch gern mal Donnerstag Nacht um 2 Uhr sein, wenn die ganze Stadt auf den Beinen zu sein scheint, auf dem Weg zu irgendeiner nächtlichen Freizeitbeschäftigung. Polizisten an Ampelkreuzungen zu stellen ist jedenfalls eine amüsante Arbeitsbeschaffungsmaßnahme.

Von Zeit zu Zeit helfen diese Polizisten auch den Passanten, meist Touristen oder zumindest Ausländern, dabei, die Straße zu überqueren, indem sie kurz den Verkehrsfluss stoppen. Darauf ist allerdings nur in den seltensten Fällen Verlass. Stattdessen kommt das Überqueren der Straße einem Selbstmordversuch nahe. Wichtigste Regel: Niemals in Richtung des Fahrers schauen, damit der bloß nicht merkt, dass man ihn gesehen hat. Denn dann wird er auf keinen Fall sein Fahrzeug bremsen, auch wenn man direkt davor steht. Stattdessen setzt man einen Fuß auf die Straße, schickt ein Stoßgebet zum Himmel und geht - natürlich im Augenwinkel schielend den Verkehr beobachtend - möglichst zügig, schlangenlinienförmig über die Straße. Am Anfang kann es sehr hilfreich sein, sich einer Gruppe Ägypter anzuschließen und von ihnen zu lernen, wie man das macht. Von Einheimischen lernen, heißt, Überleben lernen!

Tricky wird es insbesondere dann, wenn die Straße mehrspurig ist, und das ist häufiger der Fall, als dass es die Fahrbahnmarkierungen vermuten lassen. Denn daran hält sich auch keiner. Stattdessen wird jeder freie Zentimeter genutzt, um sich noch ein Stück im zähen Verkehrsfluss nach vorn drängeln zu können. Warten auf der Linie zwischen zwei Spuren funktioniert also nicht, denn mit ziemlicher Sicherheit versucht sich der nächste Fahrer genau auf dieser Spur weiterzuquetschen.

Das alles ist jedoch relativ harmlos im Vergleich damit, selbst am Steuer zu sitzen. Deswegen werde ich das auch gar nicht erst versuchen. Mir reicht es völlig, auf dem Beifahrersitz im Taxi oder bei Freunden zu üben, regelmäßig zu atmen und nicht das Luftholen gänzlich zu vergessen. Jeder fährt, wie er will, und kommt ihm ein anderer dabei in die Quere, wird gnadenlosen draufgehalten, gehupt und die ursprüngliche Bahn weiterverfolgt. Auf eine Beule mehr oder weniger kommt es bei den meisten Wagen ohnehin nicht an. Wichtig ist lediglich, dass die Bremsen funktionieren, denn ohne gute Bremsen ist eine Fahrt durch Kairo wahrscheinlich nicht zu machen, ohne Tote zu hinterlassen.

Übrigens erkennt man einen Neuankömmling in Kairo natürlich sofort daran, wie er sich bei diesem alltäglichen Überlebenskampf anstellt. Das ist wirklich entlarvend. Ich kann aber mit einigem Stolz behaupten, inzwischen zumindest nicht mehr zu den blutigen (und diese Gefahr besteht ja durchaus...) Anfängern zu gehören, sondern eine einigermaßen pasable Figur zu machen. Übrigens auch beim Aushandeln der Preise für eine Taxifahrt. Denn das hier abgebildete Taxometer hat schon bessere Tage gesehen und gehört eigentlich ins Museum.

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