Bulgarien, 21 Jahre nach der Wende

Der Grund der Reise war eigentlich ein anderer: Endlich sollte ich offiziell werden, was ich eigentlich schon seit Herbst 2008 war: Theos Taufpatin (Patentante klingt so altmodisch...)! Diese Ehre wurde mir in einer kleinen, süßen Kirche in der bulgarischen Stadt Sliven am Fuße des Balkan-Gebirges statt. Und während eine bulgarische Bekannte von Theos Großmutter während der Taufe jene Aufgaben übernahm, die für mich mangels Sprachkenntnissen etwas schwierig waren, musste ich den kleinen nackten Frosch dreimal hintereinander ins - allerdings lauwarme - Taufwasser tauchen. So will es die Tradition der bulgarisch orthodoxen Kirche. Ich hoffe, dass er das schnell wieder vergisst und mich nicht als die böse Tante in Erinnerung behält!

Alte byzantinische Kirche in Sofia
Russisch orthodoxe Zentralkirche in Sofia
Häuschen für Verkehrspolizisten
Froschleich im Balkan-Gebirge
Bulgarisch orthodoxe Zentralkirche in Sofia
Eierfärben vor Ostern
Osterprozession an Karfreitag
Mr. Neugier
Armer Frosch
In Sofia

(Mehr Fotos gibt's, wenn Ihr am unteren Bildrand der Fotos in das Flickr-Album klickt)

 

Wenn die Taufe also der Anlass für diese Reise war, wurde sie doch auch zu einer Studienfahrt in ein postkommunistisches Land. Dank der fundierten Landeskenntnisse meiner Freundin, die weit über das normale Wissen über das eigene Land hinausgehen, erhielten wir selbst in der kurzen Zeit einen Einblick in die politischen und gesellschaftlichen Strukturen des Landes, das 21 Jahre nach dem Ende des Ostblocks noch immer unter der Last des ökonomischen Zusammenbruchs ächzt und stöhnt. Viele Merkmale eines Entwicklungslandes erfüllend - starke sozioökonomische Disparitäten, weit verbreitete Subsistenzwirtschaft, Klientelstrukturen, Braindrain -  scheint auch der EU-Beitritt nur kosmetische Veränderungen zu bewirken.Wer kann und etwas erreichen will, geht ins Ausland, um dort zu studieren und das Geld zu verdienen, mit dem man sich eine Existenz in Bulgarien aufbauen kann. Was bleibt, sind Industrieruinen, unzählige Plattenbauten und verlassene Militärübungsgelände. Und ein wunderschönes Land, das verdient, mehr Beachtung und Fürsorge zu finden.

 

Ungelöst ist auch die Frage der missglückten Integration der Roma, die - wie in Rumänien - nach wie vor in Siedlungen leben, die große Ähnlichkeit mit den Slums der Metropolen der Dritten Welt aufweisen. Der fehlende Wille zur Integration scheint dabei auf beiden Seiten - Bulgaren und Roma - gleich stark ausgeprägt zu sein. Leidtragende sind wie immer die Kinder, die aufgrund der schlechten Bildung und Gesundheitsversorgung kaum eine Chance auf ein besseres Leben haben.

 

Wir haben nur wenige Tage in Bulgarien verbracht und diese Zeit reicht sicher nicht aus, um ein umfassendes Verständnis für Land und Gesellschaft zu entwickeln. Ich hoffe daher auf viele weitere Gespräche mit Lina, die ihr großes Wissen so großzügig mit uns teilte.

 

Und damit das hier nicht falsch verstanden wird: Wir hatten eine wunderbare Zeit! Bei bestem Wetter, leckerem Essen und den besten GastgeberInnen, die man sich vorstellen kann, konnten wir uns richtig gut erholen, Sonne tanken und viel Neues entdecken und lernen. Danke Lina, Linas Mama und José! Und nicht zuletzt, Theo!

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    delfix (Dienstag, 15 Mai 2012 18:40)

    Интересные дела!